Gibt der öffentliche Auftraggeber in seinem Zuschlagsschreiben an den Bieter neue Vertragsfristen vor, kommt der Vertrag nicht zustande, wenn sich der Bieter mit diesen nicht einverstanden erklärt – so der BGH in seiner Entscheidung vom 03.07.2020, VII ZR 144/19.
Was war passiert?
Ausgeschrieben waren Bauleistungen für die Erhaltung und Fahrbahnerneuerung einer Bundesstraße. Bestandteil der Vergabeunterlagen waren Vertragsbedingungen, die als frühesten Beginn der Ausführung den 5.4.2018 und als spätestes Datum der Vollendung den 11.7.2018 bestimmten. Die Vergabestelle schrieb den Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag erfolgen sollte, an und erklärte in dem Schreiben, dass die Vertragsfristen aufgrund einer Verzögerung des Vergabeverfahrens um ca. zwei Monate nach hinten verschoben werden sollen. Der Bieter bedankte sich bei der Vergabestelle für die Zuschlagserteilung, aber teilte mit, der gewünschte neue Realisierungszeitraum könne nicht bestätigt werden. Im Rahmen der Bauanlaufbesprechung pflegte der Bieter die durch die Vergabestelle neu vorgegebenen Termine in einen Bauzeitenplan ein und verlangte zugleich eine Mehrvergütung infolge der zeitlichen Verzögerungen.
Die Vergabestelle teilte dem Bieter daraufhin mit, der Auftrag habe ihm nicht erteilt werden können, da der Bieter das im Zuschlagsschreiben enthaltene modifizierte Angebot der Vergabestelle nicht angenommen habe. Die Vergabestelle informierte den Bieter zudem darüber, dass sie das Vergabeverfahren aufgehoben habe, da der Zuschlag aufgrund der eingetretenen Verzögerungen nicht mehr rechtzeitig habe erteilt werden können. Sodann führte die Vergabestelle ein neues Vergabeverfahren durch und vergab die Bauleistungen an ein Drittunternehmen.
Der Bieter verlangte nun u. a. eine gerichtliche Feststellung darüber, dass der Bauvertrag zustande gekommen war. Der BGH entschied jedoch, dass zwischen den Parteien ein wirksamer Vertragsschluss nicht erfolgt war. Ändert der Auftraggeber die Bauzeit vor Zuschlagserteilung ab, so stellt die Erteilung des Zuschlags ein neues (modifiziertes) Angebot des Auftraggebers dar. Für einen wirksamen Vertragsschluss hätte es daher einer vorbehaltlosen Annahme des modifizierten Angebots durch den Bieter bedurft. Der Bieter hatte hingegen die Ausführung der Arbeiten von einer zusätzlichen Vergütung abhängig gemacht. Eine vorbehaltlose Annahme lag damit gerade nicht vor.
Rechtsanwältin Sarah Lisa Bohn