Set-Design eines Hightech-Labors
(in: BAUKULTUR 4_2015, S. 14-15)
Innovative und multifunktionale Ausführungen von Dach- und Fassadenkonstruktionen mit mehrlagigen Folien und Textilien können der modernen Architektur neue Impulse geben. Die Hollywood-Produktion SELF/LESS von Tarsem Singh zeigt, dass die Formen- und Materialsprache textiler Architektur durchaus gestalterisch und konstruktiv anspruchsvoll sein kann: Untereinander gekoppelte, möglichst futuristisch anmutende Kuppelkonstruktionen sollten die klinisch-sterile Atmosphäre von Hightech-Laboratorien abbilden.
Folienarchitektur für den Hollywood-Film SELF/LESS (Foto: Studio LTA)
Von der Idee zur Umsetzung
Projektbeispiele auf der Homepage des Konfektionärs Planex Technik in Textil GmbH gaben den Anstoß zur Weiterentwicklung einer schalenartigen Kooperationsarbeit mit der Universität Stuttgart und der Festo AG. Bis zum finalen Aufbau zweier „air-supported domes" in den Abmessungen von ca. 19 x 13 x 4,5 m für die Studioaufnahmen in einer riesigen Halle in New Orleans vergingen keine drei Monate. Einer organisatorisch turbulenten Zeit der Annäherung der Firma Planex – planerisch beraten durch das Atelier leichtbaukunst/ Dr. Lars Meeß-Olsohn – mit der Produktionsfirma folgte die konstruktive Umsetzung in eine praktikable Konstruktion. Diese Leistungen bis hin zur Verschiffung und Montage wurden durch das Stuttgarter Büro STUDIO LTA, Studio für Leichtbau und temporäre Architektur, erbracht, das sich seit Jahren mit dem Leichtbaukonzept PLUSMINUS auseinandersetzt. Unterstützt wurde das Vorhaben durch Dr. Switbert Greiner, ArtEngineering GmbH, in der Berechnung der Kräfte und Zuschnittsermittlung.
Grundlagen und erste Anwendungen
Unter der Projektleitung von Jürgen Hennicke wurde 2007 aufbauend auf den Vorleistungen vorangegangener experimenteller studentischer Arbeiten am Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (ILEK; Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. e.h. Dr. h.c. Werner Sobek) der Universität Stuttgart das charakteristische, luftgestützte Tragsystem von Überdruck und Unterdruck konzipiert. Auf diese Weise entstand u. a. für die Messe Techtextil eine Präsentationsfläche mit einer seitlichen Begrenzung aus einer Vielzahl von vertikalen Schläuchen mit ca. 4 m Länge und 13 cm Durchmesser. Aus brandschutztechnischen Gründen wurden diese leicht chaotisch angeordneten Pneus großflächig mit einer vorkonfektionierten, transparenten ETFE-Folie umhüllt.Die unter Überdruck stehenden Schläuche („Plus") wurden durch den geringen Unterdruck in der Hüllfolie („Minus") zu dem recht stabilen und raumbildenden Wandverbund PLUSMINUS zusammengefasst. Seine leichte und nahezu schwebende Wirkung konnte erreicht werden, indem man die Pneus an den Fußpunkten von innen ausleuchtete. Nachfolgend wurden die Details der Knoten bei sich überlagernden Schläuchen und die Anschlüsse an den Fußpunkten untersucht und optimiert, u.a. auch bei der Erstellung eben jener Gitterschale, die als Vorbild für das Set-Design dienen sollte.
„... are very interested in the possibility of creating a structure using similar materials for one of our main film sets. We want to create what looks like a cutting-edge mobile medical facility housed inside an air-supported membrane“, so lautete die Anfrage aus Hollywood (Foto: Studio LTA)
Gitterschalen als Set-Design
Die gleichsinnig gekrümmte und sich daher selbst stabilisierende Geometrie einer Gitterschale verstärkt den aussteifenden Effekt der PLUSMINUS-Konstruktion: Die während der Aufbauphase durchaus nützliche Winkelverschieblichkeit der einzelnen Überdruck-Pneus wird durch den Unterdruck zwischen der innen- und außenliegenden Folienlage entscheidend vermindert – der atmosphärische (Unter-)Druck presst die zunächst verschieblichen Schläuche gegeneinander, und die zunehmende Reibung erzeugt eine Gitterstruktur mit Knotenpunkten, die ansatzweise biegesteif miteinander verbunden sind. Als flächiger Verbund erhält die Geometrie die Eigenschaften einer Schalenkonstruktion; die geringen Eigenlasten und auch externen Krafteinleitungen können effizient abgetragen werden.
Aufbau in New Orleans
Eine gestalterische Herausforderung bestand darin, den minimalistischen Charakter auch im Detail zu wahren. Daher erfolgte die Klemmung der Schläuche aus Gründen der Dichtigkeit der Folienelemente verdeckt in den Endkappen, und auch die Versorgungsleitungen der pneumatisch gestützten Konstruktionselemente sind unauffällig in umlaufenden Bodenkanälen geführt. Nachdem die von Lexington-Europe speziell angefertigten LED-Platinen in die Endkappen der Schlauchelemente eingesetzt waren, begann das Auslegen der Bodenkanäle und das Aufsetzen der filigranen und gelenkigen Fußpunkte. Als die Bögen ihre kuppelförmige Sollgeometrie eingenommen hatten, wurden die beiden Hüllfolien eingebracht und an den Bodenkanälen fixiert. Durch das Evakuieren der Luft zwischen den beiden Lagen der Hülle und den Bögen wurde der stabilisierende Verbund erzeugt. Dabei änderte sich die Erscheinung der „Folienfassade" entscheidend: Die Hülle als transluzente PE-Folie half, das Geschehen des Filminhalts auf das Innere der Gitterschalen zu fokussieren. Die Lichtwirkung der LED-Strahler in den Fußpunkten der Bögen unterstrich hierbei die eher flächige Wirkung. Die Trailer des Kinofilms versinnbildlichen mit den Gitterschalen schon jetzt die zentrale Bedeutung dieser Architekturen in der Handlung.