(in: BAUKULTUR 5_2015, S. 20-21)
An den Auen des Flusses Ihme und doch mitten in der Stadt haben sander.hofrichter architekten zwei Krankenhäuser in einem Neubau zusammengeführt. Das neue Klinikum Siloah-Oststadt-Heidehaus in Hannover ist von konsequenter Interdisziplinarität und einem innovativen Gestaltungskonzept geprägt.
Klinikum Siloah-Oststadt-Heidehaus in Hannover (Foto: Wolfgang Fallier)
Historie
Die traditionsreichen Krankenhäuser Siloah und Oststadt-Heidehaus aus den 1950er und 1960er Jahren konnten den Anforderungen eines modernen Klinikbetriebs nicht mehr gerecht werden. Auch aus betriebsorganisatorischen Gründen entschied sich die Klinikum Region Hannover GmbH als Betreiber, am Standort des alten Siloah einen Neubau zu errichten. 2007 wurde ein europaweites Ausschreibungsverfahren durchgeführt. Von 30 Bewerbern waren 6 Architekturbüros mit der Erstellung eines Plangutachtens beauftragt, das in einem eingeschränkten Wettbewerb von einem Fachpreisgericht begutachtet wurde. Das Büro sander.hofrichter architekten aus Ludwigshafen lieferte den überzeugendsten Entwurf und wurde mit der Planung beauftragt. Ende 2014, nach 7 Jahren Planungs- und Bauzeit, konnte die Eröffnung gefeiert werden. Das Klinikum Siloah-Oststadt-Heidehaus bietet heute auf einer Nutzfläche von 32.000 m² Platz für 535 Betten. Im Krankenhaus der Schwerpunktversorgung kümmern sich rund 700 Ärzte und Pflegekräfte in insgesamt 12 Fachabteilungen um die Patienten.
Bauliches Konzept
Der Neubau orientiert sich städtebaulich an einem historischen Altbau, in dem die Klinikverwaltung untergebracht wurde. Denkmalgeschützter Baubestand mit drei Pavillonbauten aus den Jahren 1907–1913 wurde zusammen mit schützenswertem Baumbestand in die Neubauplanung einbezogen. Eine neu geschaffene Klinikallee dient der Gesamterschließung von der südlichen bis zur nördlichen Grundstücksgrenze, sorgt für eine klare Erschließungsstruktur und ordnet das Gelände in Alt- und Neubauten bzw. Entwicklungsflächen. Unter der Klinikallee liegt unterirdisch der Wirtschaftshof, über den die gesamte Logistik des Neubaus unabhängig von der öffentlichen Erschließung abgewickelt wird.
Fassadengliederung
Das Gebäude besteht aus einem massiven, 2-geschossigen Sockel, der die Traufhöhe der historischen Gebäude aufnimmt, und drei darüber schwebenden Bettenhausriegeln mit jeweils 5 Pflegegeschossen. Patchworkartig eingestreute Lichthöfe gliedern den Neubau und versorgen fast alle Räume mit viel Tageslicht. Die Patienten genießen von ihren Zimmern einen herrlichen Blick auf die Flussauen.
Der Sockel wurde als Ziegelfassade mit Lochfenstern in zwei Formaten ausgeführt. Der gebrannte und geschlämmte Klinker in leicht changierenden Farben betont seine Schwere und Erdverbundenheit. Die Pflegegeschosse erhielten im Kontrast dazu eine leichte Fassadenkonstruktion mit Bandfenstern und vorgehängten Glasbrüstungen. 6 aufeinander abgestimmte Grau- und Grüntöne korrespondieren mit dem Baumbewuchs der Flussaue und rhythmisieren die Glasfelder der Brüstungen. Vertikale Glaselemente verbinden die Geschossebenen und führen in Kombination mit den horizontalen Bandfenstern zu einem lebhaften Erscheinungsbild.
Zeichnungen von Heilpflanzen - hier Lavendel - dekorieren die Krankenzimmer (Foto: Wolfgang Fallier)
Erschließung
Vom neuen Klinikvorplatz mit den prächtigen Kastanienbäumen gelangt man zum überdachten Haupteingang. Die Eingangshalle ist raumhoch verglast und ermöglicht Blickbeziehungen zwischen Ihme und Altbau. Von der Lobby gelangt man direkt in die Cafeteria, die sich mit einer großen Außenterrasse zur Flussseite hin öffnet. Der Bau fügt sich so optimal in die Flussauen ein und bietet Mitarbeitern, Patienten und Besuchern eine hohe Aufenthaltsqualität.
Leitmotiv Interdisziplinarität
Im Inneren wird das Gebäude über eine Magistrale erschlossen, an der sämtliche Wartebereiche und Leitstellen, aber auch die vertikalen Erschließungen liegen. Eine Besonderheit des Klinikums mit seinen insgesamt 9 Operationssälen ist, dass in vielen Fachabteilungen weitestgehend interdisziplinär zusammengearbeitet wird und auf diese Weise ihre Kompetenzen gebündelt werden. Im Erdgeschoss befinden sich alle nicht invasiven und ambulanten Behandlungsbereiche, im ersten Obergeschoss alle Behandlungen, die eine Narkose benötigen. Dort wurde zudem eine räumliche Zusammenführung der interventionellen und operativen Behandlungsformen auf einer Etage erreicht.
Die Farbe Rot bezieht sich auf die Heilpflanze Hibiskus (Foto: Wolfgang Fallier)
Wegweisende Gestaltung
Ein innovatives Signaletik- und Gestaltungskonzept vermittelt in den Innenräumen Wohlfühlatmosphäre. Grafisch umgesetzte Pflanzenthemen und 4 zugehörige Leitfarben helfen Patienten und Besuchern, sich problemlos zurechtzufinden. Die Farbe Grün kennzeichnet die Behandlungsräume im Sockel, während die Farben Rot, Gelb und Violett den Weg zu den drei Bettenhäusern weisen.
Die Grüntöne in den Sockelgeschossen tragen zur Verknüpfung der Bepflanzung der Innenhöfe mit den angrenzenden Räumen bei. Außen und Innen, Natur und Krankenhaus verschmelzen zu einer Einheit. An den Wänden finden sich die Grafiken mit den Blüten und Blättern jener Pflanzen, die in den Innenhöfen wachsen. Die Räume um den Ginkgo-Hof etwa wurden neben Ginkgo-Zeichnungen an den Wänden mit Gedichtzitaten Goethes gestaltet. Wo Bambus im Hof wächst, wurde das künstlerische Thema ebenfalls entsprechend umgesetzt.
Die Riegel der Pflegegeschosse sind jeweils komplett in einem Farbton gehalten. Die Farben Rot, Gelb und Violett beziehen sich auf die zugehörigen Heilpflanzen Hibiskus, Calendula und Lavendel und bestimmen den Gebäudeteil vom Fahrstuhl bis in die Zimmer. Schaut man aus dem Fenster, entdeckt man, dass das darunter liegende Dach mit den passenden Heilpflanzen bewachsen ist. Details ihrer Formen finden sich wiederum als grafische Zeichen an den Wänden. Zusammen mit poetischen Texten oder weiterführenden Informationen zu den Heilkräutern ergeben sie ein stimmungsvolles Gesamtbild.