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Sanierung und Erweiterung des Richard Wagner Museums in Bayreuth
(in: BAUKULTUR 6_2015, S. 16-17)

Richard Wagners einstiges Wohnhaus Wahnfried in Bayreuth und das seit 1976 bestehende Richard Wagner Museum sind seit Juli 2015 nach dreijähriger Bauzeit wieder öffentlich zugänglich. Das Ensemble erhielt einen Erweiterungsbau nach Plänen von Staab Architekten, Berlin. Für die museale Gestaltung zeichnet hg merz architekten museumsgestalter, Stuttgart Berlin, verantwortlich.

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Eingangshalle im Haus Wahnfried (Foto: Richard Wagner Museum Bayreuth)

Haus Wahnfried
Im Haus Wahnfried können die Besucher am authentisch-auratischen Ort eine Dokumentation zu Leben, Werk und Schaffen Richard Wagners erleben. Das Erdgeschoss eröffnet erstmals einen vollständigen Einblick in die Zeit um 1880 und die Lebenswelt Richard Wagners. Im Zuge der Neugestaltung wurden das Speisezimmer und Cosimas Lila Salon rekonstruiert. Bei restauratorischen Untersuchungen des Treppenhauses im Mittelrisalit wurden zudem umfangreiche Farbfunde gemacht, die es ermöglichten, die Ausmalung zu Richard Wagners Lebzeiten weitestgehend zu rekonstruieren. Dokumente aus der Handschriften- und Grafiksammlung des Nationalarchivs werden im Zwischengeschoss in wechselnden Ausstellungen präsentiert.

Erweiterungsbau
Der Erweiterungsbau widmet sich der Aufführungsgeschichte der Bayreuther Festspiele von den Anfängen bis zur Gegenwart. Präsentiert werden hier die Sammlung der historischen Bühnenbildmodelle, Kostüme und Apparaturen aus dem Bayreuther Festspielhaus. Der Neubau befindet sich auf einem Grundstücksteil, der erst in den 1930er Jahren durch Winifred Wagner zugekauft worden war.
Dem Richard Wagner Museum angegliedert ist das Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, das Schrift- und Bilddokumente, Druckwerke und Gegenstände, die Leben, Schaffen und Nachwirken Richard Wagners betreffen, sammelt, pflegt und bewahrt. Veranstaltungen finden im Saal von Haus Wahnfried, am Steinway-Flügel Richard Wagners, statt.

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Gartenseite von Haus Wahnfried mit dem Erweiterungsbau (Foto: Richard Wagner Museum Bayreuth)

Siegfried Wagner Haus
Im Siegfried Wagner Haus, dem Nebengebäude, das sich Richard Wagners Sohn Siegfried 1894 zum eigenen Wohnhaus hatte umbauen lassen, erwarten die Besucher im Erdgeschoss die Wohnräume Winifred Wagners. Hier wird die Ideologiegeschichte Wagners dargestellt, seine Beziehungen zu den Nationalsozialisten und zu Adolf Hitler persönlich.

Erläuterung der Architekten
Ein neues Museum im historischen Garten des Hauses Wahnfried zu verorten, ohne die solitäre Wirkung des Bestandes zu beeinträchtigen, die Idee der Gartenanlage erlebbar zu belassen und trotzdem den neuen Eingriff sinnfällig in Erscheinung treten zu lassen, war die besondere Herausforderung dieser Arbeit.
Der Schlüssel zu unserem Konzept lag in der um 1930 zugekauften Grundstücksfläche im Westen der historischen Gartenanlage. Der Erweiterungsbau bildet über einen Anbau an das bestehende Gärtnerhaus ein Pendant zu dem gegenüber liegenden Siegfried Wagner Haus, was die historische Symmetrie der Anlage unterstützt. Der Abbruch des Verbindungsbaus zwischen Siegfried Wagner Haus und Haus Wahnfried stärkt die Grundidee der Anlage mit der solitären Stellung des Hauses Wahnfried. Die neue Bebauung entlang der Kante des zugekauften Grundstücks macht die historische Gartenbegrenzung wieder erfahrbar und ermöglichte die Wiederherstellung des Gartens in seinen historischen Originalzustand. Dadurch entsteht für den Besucher eine Raumchoreographie, welche die bestehenden Elemente Allee, Vorplatz und Garten stärkt und inszeniert.

Erläuterung der Museumsgestalter
Die Struktur der Ausstellung orientiert sich an der räumlichen Situation des dreiteiligen Gebäudeensembles von Haus Wahnfried, Erweiterungsbau und Siegfried Wagner Haus. Im Haus Wahnfried stehen Leben und Werk Richard Wagners im Mittelpunkt. Wie in einer Schatzkammer werden hier originale Partituren und Handschriften Wagners in einem begehbaren Tresor präsentiert. Eine interaktive Partitur bindet die Besucher ein und stärkt auf spielerische Weise das Verständnis für das Schaffen eines der größten europäischen Komponisten. Die minimalinvasive Ausstellungsarchitektur respektiert die originale Bausubstanz und löst alle Exponate und Ausstellungshilfsmittel von der Wand ab. Die Ausstellung passt sich dem historischen Ort an, ohne ihn zu überformen. Nicht mehr vorhandene Möbel werden für den historischen Raumeindruck durch weiße Hussenmöbel dargestellt.
Im Erweiterungsbau wandern die Besucher durch die Aufführungsgeschichte der Festspiele. Relikte aus 150 Jahren, Kostüme, Requisiten und Bühnenbildmodelle erwachen hier zu ihrem zweiten Leben. Dazu gibt es schlaglichtartige Informationen zu den Akteuren.
Im Siegfried Wagner Haus geht es um die Rezeption des Werks und seine ideologische Vereinnahmung durch die Nachfahren Richard Wagners und die Nationalsozialisten. Der originale Ort bleibt, wie er war. Die Ausstellung legt eine multimediale Kommentarschicht über die Räume, die so in ihrer Substanz unverändert sind.

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