Politische Historie – wissenschaftliche Zukunft

Fassadensanierung des ehemaligen Staatsratsgebäudes in Berlin

Wenige Bauwerke können in einer gerade einmal 40-jährigen Geschichte eine derart bewegte Historie nachweisen wie das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR in Berlin. Um eine neue, unpolitische Nutzung als „European School of Management and Technology“ zu ermöglichen, wurde das denkmalgeschützte Gebäude auf sensible Weise revitalisiert. Ein Schwerpunkt lag auf der historischen Fassade. Sie wurde auf Basis modernster Systemtechnik originalgetreu rekonstruiert.

Zukunft als private wissenschaftliche Hochschule
Im Rahmen der Grundinstandsetzung des 1964 errichteten Gebäudes erfolgte 2005 durch das Berliner Architekturbüro HG Merz der aufwändige Umbau zum Learning-Center der European School of Management and Technology (ESMT), einer privaten wissenschaftlichen Hochschule mit allen zeitgemäßen Lehr-, Lern- und Rekreationseinrichtungen. Seit dem 9. Januar 2006 läuft der Studienbetrieb im revitalisierten Staatsratsgebäude mit einem Fulltime-MBA-Programm (Master of Business Administration).

Hauptgebäude
Das Hauptgebäude fügt sich aus 3 Baukörpern zusammen. Der Haupteingang mit dem integrierten historischen Portal des ehemaligen Berliner Schlosses und dem über 3 Geschosse reichenden Foyer bildet das Bauteil B. Von hier aus werden alle anderen Gebäudeteile über Aufzüge und Treppen erschlossen. Im Gebäudetrakt rechts vom Haupteingang gliedert sich das kürzere Bauteil A mit Restaurant und Küche sowie mit Räumen für Besucher und Programm-Manager an. Links vom Haupteingang liegt das längere Bauteil C mit öffentlich zugänglichem Café und Bookshop sowie mit Studienräumen, Competence-Center, Bibliothek, Hörsälen und Audimax.
Das Gebäude besteht aus einer Stahlskelettkonstruktion mit Ausfachungen aus Mauerwerk in den Obergeschossen und einem Kellergeschoss aus Stahlbeton. Aus brandschutztechnischen Gründen – die maximal zulässige Fluchtweglänge von 80m wurde in Bauteil C überschritten – wurde an der Fassade zum Schlossplatz ein neues Treppenhaus mit Aufzug-, Sanitär- und Technikräumen angebaut. Die bestehenden Treppenhäuser an der Süd/Ost- und Süd/West-Fassade blieben komplett erhalten.

Fassadenrückbau
Die Außenfassade entsprach vor dem Umbau nicht den Anforderungen der aktuellen Energieeinsparverordnung. Daher wurden alle vorhandenen Fenster ausgebaut und durch neue ersetzt. Die Geometrie der Profile und die Oberflächen der neuen Fenster wurden in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt Berlin so ausgebildet, dass die Außenerscheinung des Gebäudes vollständig erhalten blieb – d. h. man unternahm einen Rückbau auf die Ansicht von 1964, freilich unter Berücksichtigung aktueller Anforderungen an Wärmedämmung, Schallschutz, Lüftung und Entrauchung.
Die Natursteinverkleidung von Portal und sonstiger Fassade befand sich in einem gutem Zustand und konnte durch microinversive Reinigung und Teilrestaurierung revitalisiert werden; lose Natursteinplatten wurden fachgerecht nachverdübelt.

Fensterplanung
Die Oberfläche der neuen Aluminium-Fensterprofile wurde dem ursprünglichen, brillant champagnerfarbigen Ton angeglichen, und auch bei der Fügungstechnik besann man sich auf die ehemals auf Gehrung geschnittenen Rahmenprofile. Bei den Gläsern ersetzte man die zuvor doppelschaligen, unbeschichteten Einfach-Verglasungen durch wärmedämmbeschichtete Isolierverglasungen mit Gasfüllung im Scheibenzwischenraum, wodurch insgesamt gute U-Werte und verbesserte Schalldämmwerte erzielt werden konnten. Man ließ folglich eine Ebene der Kastenfenster weg, auch um ein Öffnen einzelner Flügel erstmals zu ermöglichen. In der Außenansicht ist diese Veränderung nicht sichtbar, in der Innenwirkung erscheinen die Elemente nun ein wenig tiefer und massiver.

Individuelle Fensterlösungen
Die Fensterelemente ab dem 1. Obergeschoss bestehen aus mehreren mehrteiligen Lochfenstern, die, über biegesteife Knoten verdeckt angeordnet, zu einer Einheit zusammengebaut wurden. Die zusammengesetzten Einzelelemente ergaben Fenstergrößen von bis zu ca. 3,6m x 9,6m auf der Nordseite in der Ebene 02-03.
Die Blumenfenster im 1. Obergeschoss auf der Nordseite zum Schlossplatz haben eine Abmessung von ca. 3,6m x 6,22m, wobei die äußere Isolierglasscheibe absturzsicher in der Abmessung 1,9m x 5,2m zur Ausführung kam.
In die Konstruktionen wurden Öffnungselemente als Drehflügel mit motorischem Antrieb in der Größe bis zu ca. 1,82m x 2,85m eingesetzt. Technische Grundlage der beschriebenen Sonderkonstruktionen bilden wärmegedämmte Aluminiumprofile von Schüco International. So konnte auf der gesicherten Basis modernster, geprüfter Systemtechnik die historische Optik unter Berücksichtigung aller Komfortansprüche und bautechnischer Anforderungen realisiert werden.
Die Montage der Elemente erfolgte in die vorhandenen Rohbauöffnungen, dabei wurden sie auf der Brüstung abgestellt und spannen bis zum Sturz der Geschossdecken. Die Fensterelemente im Erdgeschoss hingegen wurden als Einzelelemente in die vorhandenen Rohbauöffnungen montiert. Der äußere Anschluss zur bestehenden Natursteinfassade erfolgte umlaufend über eine Blechverkleidung.

Brandschutz
Da im bestehenden Gebäude im Brandfall eine Entrauchung über die Fassade nicht vorgesehen war, diese aber in Zukunft baurechtlich gefordert wird, und außerdem ein Teil der Räume natürlich belüftet werden soll, wurden einzelne Fassadenbereiche mit Öffnungsflügeln mit motorischem Antrieb ausgebildet. Bei den Fassadenelementen auf der Südseite montierte man einen verdeckten außen liegenden Sonnenschutz bzw. im Erdgeschoss einen Sonnenschutz im Scheibenzwischenraum. Einzig die Fenster des Foyers auf der Südseite mit dem eingearbeiteten Glasbild von Walter Womacka blieben von der Sanierung ausgenommen. Die historischen Holzfenster im Portal wiederum wurden komplett überarbeitet und instandgesetzt.

Neue Fensterelemente
Technische Anforderungen:
Uf,BW 2,2 W/(m²K)
Uw 1,6 W/(m²K)
Schallschutz R’w = 37 dB

PROJEKTDATEN
Bauherr: European School of Management and Technology (ESMT), Erste Fondsgesellschaft mbH & Co. KG, Berlin
Entwurf: Architekturbüro HG Merz GmbH, Berlin
Generalunternehmer: HOCHTIEF Construction AG
Fassadenplanung: Richard Fuchs, München (Entwurf) und Bonik + Pfeifer Fassadentechnik GmbH, Bensheim (Ausführungsplanung)
Verarbeiter/ Metallbaubetrieb: Haskamp Metallbau GmbH & Co. KG, Edewecht

Genderhinweis
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