Ein Erfahrungsbericht
(in: BAUKULTUR 1_2019, S. 10-12)
Der Senior Experten Service (SES) ist die führende deutsche Entsendeorganisation für ehrenamtliche Fachkräfte im Ruhestand. Regelmäßig werden Experten für Einsätze im In- und Ausland gesucht. Dabei ist Know-how aus allen fachlichen Richtungen gefragt. Mittlerweile ist die Zahl der SES-Einsätze im Ausland auf über 30.000 gestiegen. Auch DAI Ehrenpräsident Jens Krause war im Auftrag des SES unterwegs. Sein Einsatz führte ihn nach Honduras.
Tätigkeitsbeschreibung
„Die Stadtverwaltung von San Antonio steht vor großen raumordnerischen Aufgaben veranlasst durch ein Flughafen-projekt von internationaler Bedeutung. Der Senior Experte soll die Verwaltungsspitze beraten, welche organisatorischen und verwaltungstechnischen Vorkehrungen, u. a. Katastervoraussetzungen, zu treffen und vorab zu erfüllen wären, um zum Wohle der Gemeinde öffentliche und private Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen und dann Entwicklungsziele in geeigneter Form festzulegen.“
Ausgangssituation
San Antonio liegt in einer weiten Hochebene, zu allen Seiten begrenzt durch Bergmassive. Klima und Wasserressourcen machen sie zu einem landwirtschaftlichen Vorranggebiet. Es besteht hoher Siedlungsdruck durch den Ausbau eines Militärflughafens zu einem internationalen Flughafen, der wegen Landeanflugproblemen den jetzigen Flughafen in der Hauptstadt Tegucigalpa ersetzen soll. Der Ausbau für die zivile Nutzung erfolgt bis 2021 unter technischer Leitung der Flughafengesellschaft München. Die Tatsache, dass die Kommunen auf die zu erwartende Flächennachfrage für Folgeeinrichtungen nicht vorbereitet sind, veranlasste Nestor Joel Mendoza Padilla, seit Januar 2018 Bürgermeister von San Antonio, fachliche Unterstützung anzufordern, um eine ungeordnete Siedlungsentwicklung zu vermeiden.
Konflikte und Zweifel
Die ersten Eindrücke vor Ort und die Karte mit den Sicherheitsbereichen des neuen Flughafens zeigten, dass San Antonio und Comayagua mitten in der Einflugschneise liegen. Eine Flächennutzungsplanung gibt es in San Antonio noch nicht. Das Gelände rund um den Flughafen ist geprägt von kleinbäuerlicher Intensivlandwirtschaft und großen Brachflächen überall dort, wo das Bewässerungssystem nicht ausgebaut ist. Am Abend des ersten Arbeitstages hatte ich doch ein etwas zweifelndes Gefühl, ob die erkennbaren Konfliktlagen zwischen Landwirtschaft und Flughafenfolgenutzung, zwischen den Interessen der Grundstückseigentümer und den Flächenansprüchen der erforderlichen Entwicklung, zwischen Comayagua und San Antonio oder auch zwischen dem konzessionierten privaten Flughafenentwickler und den Kommunen ein sinnvolles Arbeiten bei wiederholten Korruptions- und Sicherheitshinweisen für mich überhaupt möglich machen. Über die TU Berlin hatte ich Kontakt zu einem honduranischen Kollegen aufgenommen. Beim ersten Treffen mit Rafael in Tegucigalpa war klar, dass es sich um eine win-win-Situation handelt: Für ihn eine spannende und gegebenenfalls auch stabile Aufgabe, für mich die Chance, die Situation besser zu verstehen und das Projekt auch über meine kurze Anwesenheit hinaus in Gang zu setzen.
Umfassender Informationsaustausch
Nach weiteren Exkursionen und vertiefendem Unterlagenstudium gab ich dem Bürgermeister eine erste Erläuterung der Bedingungen für die Nutzung des Flughafenumfeldes und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Comayagua. Beim gemeinsamen Treffen mit Vertretern des Flughafens (zivil und Militär), der Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Landeskatasterverwaltung, der politischen Verwaltungsspitze, aber auch der privaten Wirtschaft, stellten alle Teilnehmer ihre Interessen vor, hörten sich geduldig meine erste Lageeinschätzung an und kommentierten sie anschließend. Dieses Treffen war offensichtlich das erste dieser Art, und man spürte den Wunsch, beteiligt zu sein und die offenen Fragen zum Flughafen und seiner bevorstehenden Eröffnung stellen und gemeinsam beantworten zu können.
Hohe Kooperationsbereitschaft
Es folgten Besuche bei den wichtigsten Trägern öffentlicher Belange und weitere Geländeerkundigungen. Von besonderer Bedeutung ist das Bewässerungssystem, das eine Fläche von mehreren 100 km2 versorgt, darunter auch Flächen unmittelbar am Flughafen. Die Frage des Ausgleichs wurde vom Wasserverband thematisiert, gemeinsam wurden geeignete Ausgleichsflächen bewertet, was verdeutlichte, dass sich das erforderliche Investment nicht nur auf die neu zu erschließenden Flächen am Flughafen konzentriert, sondern dass vermutlich noch weitere Ausgleichsmaßnahmen zu finanzieren sind. Die Gespräche mit wichtigen Partnern hatten sich bewährt. Erfreulich war die hohe Kooperationsbereitschaft auch der übergeordneten Fachbehörden, die nicht auf die Wahrung ihrer Interessen fixiert waren, sondern sich aktiv an der Abwägung der Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen beteiligten.
Abschlusspräsentation
Am Ende der dritten Woche stellten wir die bisherigen Arbeitsergebnisse vor:
- Räumliche Entwicklungsstruktur: In Abwägung zwischen dem landwirtschaftlichen und dem flughafenorientierten Flächenbedarf soll die Flächeninanspruchnahme auf das unmittelbare Umfeld des Flughafens begrenzt werden, erschlossen durch eine leistungsfähige Ringstraße mit eingehängten Erschließungsstraßen. Die besonders sensiblen natürlichen Grenzen nach Süden zu San Antonio und nach Westen zum Rio Humuya werden als regionale Grünzüge langfristig gesichert.
- Entscheidungsstruktur: Die Planung und Realisierung der „Airport Economic Development Zone“ wird von einer eigenständigen Entwicklungsagentur geleistet werden. Ein Lenkungsausschuss bestehend aus den beiden Bürgermeistern und Vertretern des Landes, der Wirtschaft und der Kultur bestätigt Entwicklungs- und Finanzpläne und trifft alle strategischen Entscheidungen.
- Finanzstruktur: Die Entwicklungsagentur wird in die Lage versetzt, benötigte Flächen zum Zeitwert zu kaufen und sie erschlossen an die Investoren zu verkaufen. Die Differenz soll die Kosten der Entwicklung tragen.
Die Erörterung dieser Vorschläge zeigte breite Zustimmung. Details und nächste Schritte wurden verabredet, u. a. wird Rafael die Arbeiten für die Stadt weiterführen. Stolz konnte er mir, zurück in Berlin, berichten, dass auch der Honduranische Präsident dem Konzept zugestimmt hat. Der enge Kontakt mit Rafael soll das Begonnene sichern. Für Honduras ist dies eine Chance, das aktuelle Emigrationsproblem an der Ursache zu bekämpfen.