Umnutzung eines Krankenhausareals
(in: BAUKULTUR 5_2019, S. 20-21)
Eine Baugemeinschaft privater Anwohner hatte den gesamten Altbaubereich des denkmalgeschützten Krankenhauses Am Urban in Berlin-Kreuzberg mit der Absicht gekauft, das Areal mit seinen 19 Gebäuden stadtteilgerecht, ökologisch, energieeffizient, kulturell und sozial als Wohnstandort zu entwickeln. Der 1890 errichtete, teilweise kriegsbeschädigte und zwischenzeitlich verdichtete und umgebaute Komplex wurde durch die Graetz Gesellschaft von Architekten in seiner Ursprungsbestimmung aufgelöst und in den Jahren 2010–2012 in ein allgemeines Wohngebiet umgewidmet.
Ausgangssituation
Das Grundstück grenzt im Osten an die Grimmstraße, im Süden an die Urbanstraße und im Westen an das 1970 von Peter Poelzig errichtete Hochhaus an. Die symmetrische Anordnung der zweigeschossigen Pavillons entlang einer zentralen Gartenachse bildet eine „kleine Stadt in der Stadt“. Die historische Backsteinarchitektur war dem Stil der Industriearchitektur und Schinkelschen Schule verpflichtet. Das gesamte Areal ist autofrei gehalten.
Der Industriearchitektur verpflichtet
Zur Annäherung an den ursprünglichen Zustand wurden die Bauten neben Rückbau- und Neugestaltungsmaßnahmen zwischen 2009 und 2012 von Grund auf saniert, ertüchtigt und umgebaut, um sie den heutigen energetischen Erfordernissen, den bautechnischen Notwendigkeiten sowie den individuellen Anforderungen des Wohnungsbaus anzupassen. Entstanden sind insgesamt 145 individuelle Wohneinheiten mit Geschosswohnungen, Townhouses und Lofts nach den Wohn- und Arbeitsvorstellungen der Eigentümer.
Im Quartier verwurzelt
Die Gebäude und die Gartenanlage stehen als Ensemble unter Denkmalschutz. Die Lage im Zentrum Kreuzbergs, am Urbanhafen und Landwehrkanal zeichnet die Qualität des Wohnens an diesem Ort aus. Hier findet innerstädtisches Leben statt, das durch den gewachsenen Quartierscharakter mit kleinen Läden, familiären Handwerksbetrieben, Gastronomie, Schulen und Wohnen geprägt ist. Die Wohnanlage lebt mit und von der Identifikation und dem Engagement der Bewohner mit ihrem Kiez. Sie ist zum Kiez hin offen und will sich in das Quartier integrieren. Kulturelle und soziale Träger, wie z. B. eine psychiatrische Tagesklinik, das Mutter-Kind-Projekt des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes oder das Westliche Buddhistische Tor sind in das Gesamtmodell eingebunden. Veranstaltungsräume in der Kapelle Am Urban, dem Atelier Pretzer, der öffentlich zugängliche Spielplatz oder das zugängige Gesamtareal bieten sich zur Nutzung an.
Bewohnerstruktur
Die Wohnbedürfnisse der einzelnen Gesellschafter und Käufer wurden bereits sehr frühzeitig aufgenommen und entsprechend in der Planung berücksichtigt. Wirtschaftliches Ziel des Projekts war, Einzelparteien den Erwerb einer ca. 100 m² großen Wohnung zu ermöglichen und entsprechend viele Einwohner aus dem direkten Kiezumfeld und aus der näheren Umgebung anzusprechen. Die Bewohnerstruktur setzt sich heute heterogen und generationenübergreifend zusammen. Auffallend ist der hohe Anteil junger Familien, die sich als Bauherren Wohnungseigentum geschaffen haben. Diese Entwicklung zeigt, dass das Konzept an konkrete Bedürfnisse anknüpft und dass junge Familien ihre Zukunft in der zentralen Stadtlage im entsprechenden Umfeld mit Kiezanbindung bei privat gepflegten Außenanlagen und Autofreiheit sehen. Wesentlich teureren Wohnraum könnte diese Gruppe nicht finanzieren.
Mit der Umwidmung des Krankenhausareals wurde eine nachhaltige kiezgerechte Entwicklung in Gang gesetzt, die zu der dringend notwendigen Stabilisierung der Einwohnerstruktur dieses Stadtteils beiträgt. Das Projekt wurde vom Bezirk unterstützt und in seinen Zielsetzungen gefördert.