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Wohnprojekt in Werne
(in: BAUKULTUR 3_2020, S. 20-21)

Besonders engagierte Baukonzepte werden meist von Experten vorgeschlagen. Bei diesem Projekt sind es die Laien, die Baugruppe selbst, die vorgeschlagen hat, ihre neue Wohnanlage als „Klimaschutzsiedlung“ zu konzipieren. Mit Blick auf die Nachhaltigheit verfolgen sie dabei sowohl energetische und ökologische als auch soziale und gesellschaftliche Ziele. Umgesetzt wird das innovative Konzept vom Architekturbüro Thiel aus Münster.

Thiel 1

Das Land Nordrhein-Westfalen fördert seit einigen Jahren Wohnprojekte mit hohem energetischem, städtebaulichem und sozialem Anspruch als sog. Klimaschutzsiedlung. Eine Kommission prüft die eingehenden Bewerbungen nach definierten Kriterien wie Energieverbrauch, Ressourcen schonendes Bauen, nachhaltige Konzeption, geringe Versiegelung etc. und vergibt dann den Status Klimaschutzsiedlung. Damit stehen dem Bewerber Förderungen aus dem Landesprogramm „progres“ zur Verfügung. Voraussetzung ist eine Größe von mindestens 30 Wohneinheiten und der Energiestandard „3-Literhaus“.

Engagierte Baugruppe
Dieser Herausforderung haben sich die Mitglieder des Wohnprojekts „Gemeinsam Wohnen an den Linden“ in Werne gestellt und planen mit dem Architekturbüro Thiel aus Münster auf einem bisher unbebauten Erbpachtgrundstück einer Kirchengemeinde in Werne eine Wohnanlage mit 33 Wohneinheiten. Mit Unterstützung der Stadtverwaltung und des Stadtrats entwickelten sie eine städtebaulich überzeugende Konzeption, um mittels Bebauungsplanänderungsverfahren Planungsrecht zu schaffen. Zwischenzeitlich liegt die Baugenehmigung vor, Baubeginn ist im 2. Quartal 2020. Die Fertigstellung ist für Ende 2021 geplant.

Thiel 2

Planungskonzept
Das Planungskonzept sieht eine Anlage mit 4 selbständigen, 2- bis 3-geschossigen Gebäuden vor, die durch ein Laubengangsystem mit Aufzug barrierefrei verbunden sind. Die Laubengänge beinhalten auch die vertikale Erschließung über offene Treppen sowie Aufenthaltsbereiche für Kommunikation. Damit wird der Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens unterstützt. Die Gebäudestellung nimmt Bezug auf die umgebende Bebauung, insbesondere auch des benachbarten Kindergartens und der angrenzenden Wohnbebauung. Durch die daraus abgeleitete Anordnung in leichter Abweichung von der Nord-Südrichtung entstehen mehrere klar definierte und begrenzte Außenräume verschiedenen Charakters, die für unterschiedliche Aktivitäten wie Obstwiese, Gemüsegarten oder Bouleplatz genutzt werden können. Die beiden nördlichen Baukörper sind – zum Teil mit Tiefgarage – unterkellert, die beiden südlichen Baukörper weisen keinen Keller auf, auch um den Wurzelbereich der angrenzenden Baumallee nicht zu beeinträchtigen.

Thiel 3

Sozial und ökologisch nachhaltiges Konzept
Die Wohngruppe verfolgt Ziele der Nachhaltigkeit im energetischen, ökologischen und gemeinnützigen Sinne. Die soziale und gesellschaftliche Nachhaltigkeit ist durch das Wohngruppen-Konzept mit den Absichten altersgemischtes Wohnen, Mischung von Eigentum und Miete, gegenseitige Unterstützung der Bewohner untereinander, Aufgeschlossenheit gegenüber Behinderungen und Einschränkungen jeder Art hinreichend beschrieben. Dies spiegelt sich vor allem in der Einteilung der Wohnungen wider, welche sich an den vorgegebenen Größen der Wohnbauförderrichtlinien orientiert. So ist der überwiegende Teil der Wohnungen so angelegt, dass diese in der weiteren Ausarbeitung förderfähig geplant werden können. Der ökologische und energetische Anspruch wird durch den KfW40 plus-Standard definiert, der eine Energieversorgung ohne fossile Energien vorsieht. So erfolgt die Bereitstellung von Wärme über eine Pelletheizung. Der Strom wird über eine PV-Anlage auf dem Dach bereitgestellt und mit eigenen Stromspeichern zu 50 % gespeichert. So sehen es auch die Förderkriterien vor. Der Rest darf in das Netz eingespeist werden. Ein Teil wird sicherlich auch für die Elektroautos gebraucht, für die eine Zapfstelle in der Tiefgarage eingerichtet wird.

Holzkonstruktion mit ökologischen Dämmstoffen
Die 3-geschossigen Häuser werden komplett in Holz errichtet, d. h. die Außenwände in Holzrahmenbauweise, die Decken
als Brettsperrholzdecken. Von den Genehmigungsbehörden wurden Befreiungen erteilt, sodass auch die Laubengänge in Holz und sogar holzsichtig, d. h. ohne Verkleidung, erstellt werden dürften. Die Dämmung erfolgt aus ökologischen Materialien (Zellulose, Holzfaser) auch in den brandschutzrelevanten Bauteilen. Hier wird deutlich, dass der ökologischen Bauweise seit der neuen Bauordnung mehr und mehr Vertrauen geschenkt wird und NRW regeltechnisch an die im Holzbau erfahrenen Länder wie Österreich und Schweiz anschließt. Die äußere Hülle „muss“ natürlich im Münsterland als Ziegelschale ausgebildet werden, da führt aus klimatischen Gründen (Münsterländer Nieselregen) und auch wegen der gestalterischen Anforderungen kein Weg vorbei.

Der Baufortschritt kann auf der Homepage www.gemeinsam-wohnen-in-werne.de verfolgt werden.

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