AIV Hanau: Zum 100. Geburtstag von Gerhard Tuch

(in: BAUKULTUR 4_2022, S. 10-11)

Bauingenieur Gerhard Tuch (1922–1985) war Mitbegründer des Architekten- und Ingenieurvereins Hanau. Er wurde in Weißenfels an der Saale geboren und studierte nach Ende des Zweiten Weltkriegs Bauingenieurwesen in Karlsruhe. Seine Arbeit führte ihn schließlich nach Hanau. Im August würde er 100 Jahre alt werden.

Tuch

Gerhard Tuch entstammte einer Baumeisterfamilie. Mit seinem eigenen Ingenieurbüro war er ab Mitte der 1950er Jahre bei unzähligen Bauvorhaben in Hanau und der weiteren Region beauftragt und trug wesentlich zum Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg vollkommen zerstörten Stadt und ihrer Infrastruktur bei.

Tuch Schule

Spezialgebiet Schulbau
Als beratender Ingenieur für Baustatik war Gerhard Tuch bei über 30 Schulbauten in Hanau und der Umgebung eingebunden. Für neue Schulbauformen entwickelte er effiziente Bausysteme für große Spannweiten von bis zu 19,20 m, mit denen frei einteilbare Grundrisse möglich wurden. Für die Gesamtschule in Neuanspach im Taunus entwickelte er ein patentiertes Verbundbausystem, das effizient die Vorteile von Beton und Stahl nutzte. Ein anderes Beispiel für einen konventionellen, für die 1960 Jahre typischen Schulbau, mit dem er beauftragt wurde, war die Wilhelm-Geibel-Schule in Hanau mit ihren langen, um einen großen rechteckigen Innenhof gruppierten Zeilen.

Tuch System

Führendes Ingenieurbüro in der Region
Das Ingenieurbüro von Gerhard Tuch mit bis zu zehn technischen Angestellten arbeitete nicht nur für kommunale Bauherrn, wie z. B. Stadt- und Kreisbauämter, sondern auch im Auftrag von Bundesbehörden, wie z. B. die Deutsche Bundespost oder das Sonderbauamt Frankfurt am Main bei großen Bauten der Bundeswehr. Auch berechnete er die Neubauten des Kreishochhauses, der Hauptpost und des Gewerkschaftshochhauses in Hanau, außerdem in Koblenz die großen Postpakethallen mit ihren Schalendachtragwerken und bei Frankfurt am Main die Kühltürme des Kraftwerks Staudinger. Bis weit in die 1970er Jahre war er für unzählige Bauvorhaben großer Unternehmen sowie für private Geschäfts- und Wohnbauten beauftragt.

Mitbegründer des AIV Hanau
1955 war Gerhard Tuch Mitbegründer des AIV Hanau und bis 1966 Vorstandsmitglied. Er vertrat in mehreren Berufs- und Fachverbänden immer die Unabhängigkeit der beratenden Ingenieure, um effiziente und kostensparende Bauweisen zu gewährleisten, und sah sich stets den Bauherrn und Architekten verpflichtet, die ihm Einfühlungsvermögen in die Formgebung der jeweiligen Bauentwürfe bescheinigten.

Technische Innovationen
Mit der Zunahme von planenden Generalübernehmern und politisch getragenen Bauträgergesellschaften schwand die Beteiligung beratender Ingenieure sowie freier und unabhängiger Architekten. Zudem waren der Wiederaufbau Hanaus abgeschlossen und die Auftragslage rückläufig. Von den schweren Öl- und Wirtschaftskrisen bis Ende der 1970er Jahre erholte sich die Bauwirtschaft jahrelang nicht. Als beratender Ingenieur für Bau- und Verkehrswesen und mit Blick auf den Massenverkehr in den Städten und die Zukunft neuer Verkehrssysteme entwickelte Gerhard Tuch schließlich ein Hybridauto, von dem ein zweisitziges und bis an die Stadtgrenze durch einen konventionellen Motor elektrisch aufgeladenes und betriebenes City-Car abgekoppelt werden konnte. Die Entwicklung wurde in den 1970er Jahren vom Bayerischen Fernsehen aufgezeichnet und im ARD gesendet. Ferner schuf Gerhard Tuch als öffentlich bestellter und vereidigter Umweltsachverständiger Anfang der 1980er Jahre die Grundlagen für eine systematische Erfassung von Abfallstoffen in Hanau mit dem Ziel, bei der Abfallverwertung Energie gewinnen zu können. Innovationen waren für Gerhard Tuch stets eine Notwendigkeit der Zeit, der übliche Konformismus war ihm fremd und der Beruf des Ingenieurs eine Berufung.

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