Entwurfsplanung in der Akquisitionsphase

Vertrags- und urheberrechtliche Grundsätze
(in: BAUKULTUR 6_2011, S. 8-9)

Die Akquisitionsphase zeichnet sich dadurch aus, dass der Architekt auf Anfrage Leistungen auf freiwilliger Basis ohne vertragliche Verpflichtung erbringt. Die Chance für den Architekten liegt darin, den Bauherrn nach Grundlagenermittlung und erster Planungstätigkeit davon zu überzeugen, mit einzelnen oder mehreren Leistungsphasen des Bauprojekts beauftragt zu werden. Dem steht das wirtschaftliche Risiko gegenüber, in der Akquisitionsphase bereits mehr oder weniger umfangreiche und kostenintensive Planungsleistungen erbringen zu müssen, ohne dass es tatsächlich zu einer Beauftragung kommt. Denn mangels vertraglicher Einigung begründet die rein akquisitorische Tätigkeit des Architekten keinen Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen. Aus Art und Umfang der Tätigkeit des Architekten allein kann noch nicht auf den vorherigen Abschluss eines Vertrages und die Vergütungspflichtigkeit der erbrachten Leistungen geschlossen werden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 5.6.1997 – VII ZR 124/96). Von der Rechtsprechung werden selbst Leistungen der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) und vereinzelt sogar solche der Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung) der vergütungsfreien Akquisitionsphase zugeordnet, wenn eine schriftliche oder mündliche Vereinbarung zwischen Architekt und Bauherr oder Investor fehlt (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 17.2.2010 – 14 U 138/09). Insbesondere bei Großprojekten ist es üblich, dass der Architekt bereits vor Auftragsvergabe umfangreiche Vorleistungen erbringt, die der Akquisitionsphase zuzurechnen sind (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.6.1999 – 21 U 192/98). Die Vermutungsregel des § 632 I BGB, wonach eine Vergütung als vereinbart gilt, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist, bezieht sich nur auf die Entgeltlichkeit des erteilten Auftrags, nicht auf die Auftragserteilung selbst. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt mithin voraus, dass ein Vertrag geschlossen wurde (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.2.2008 – I-23 U 85/07). Dasselbe gilt für die HOAI. Sie stellt öffentliches Preisrecht dar und enthält keine vertragsrechtlichen Regelungen.

Von der rein akquisitorischen Tätigkeit abzugrenzen ist der Fall, dass der Bauherr dem Architekten einen als „unverbindlich“ bezeichneten Auftrag erteilt, bestimmte Leistungen zu erbringen. In diesem Fall erbringt der Architekt seine Leistungen auf vertraglicher Grundlage und kann die übliche Vergütung für seine Tätigkeit verlangen. Denn „unverbindlich“ bedeutet nicht „unentgeltlich“, sondern nur, dass keine Verpflichtung besteht, dem Architekten Folgeaufträge etwa für weitere Leistungen aus einzelnen Leistungsphasen zu erteilen (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 5.6.1992 – 22 U 251/91).

Der Übergang von der Akquisitionsphase zum Tätigwerden auf werkvertraglicher Grundlage ist oftmals fließend und entscheidend dafür, für welche Leistungen der Architekt eine Vergütung verlangen kann. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, sind für die Annahme eines Vertragsschlusses aufgrund schlüssigen Verhaltens jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls entscheidend. Allgemeingültige Abgrenzungskriterien lassen sich nicht aufstellen. Der Wille beider Parteien, sich vertraglich zu binden, muss nach außen erkennbar hervortreten. Es kommt maßgeblich darauf an, wie sich dem objektiven Betrachter das Handeln des leistenden Architekten und des Bauherrn darstellt. Die Anfertigung erster Skizzen durch den Architekten, Besprechungen mit dem Bauherrn und die Vorlage von Zweit- und Drittentwürfen reichen für die Annahme eines Vertragsschlusses aufgrund schlüssigen Verhaltens regelmäßig nicht aus. Einen Vertragsbindungswillen aufgrund schlüssigen Verhaltens nimmt die Rechtsprechung jedoch beispielsweise dann an, wenn dem Architekten Vollmacht zu Verhandlungen mit Behörden erteilt wird (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.2.2008 – I-23 U 85/07) oder der Bauherr die entgegengenommenen Architektenleistungen absprachegemäß in Zusammenarbeit mit dem Architekten verwertet (Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 28.7.1994 – 2 U 26/94).

Nicht selten kommt es vor, dass der Architekt trotz umfangreicher Vorleistungen im Rahmen der Akquisitionsphase nicht beauftragt wird, dann aber feststellen muss, dass der Bauherr die erbrachten Planungsleistungen in Zusammenarbeit mit einem anderen Architekten verwertet. Selbst in diesem Fall hat der Architekt jedoch keinen vertraglichen Vergütungsanspruch gegen den Bauherrn. Eine solche Konstellation lag einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (Urteil vom 2.3.2011 – 14 U 140/10) zugrunde. Der beklagte Bauherr führte mit dem klagenden Architekten zwei Monate lang Gespräche über die Planung und Gestaltung einer Ausstellungshalle für Oldtimer und Kunst mit einer Nutzfläche von 1.000 m², in deren Verlauf der Architekt dem Bauherrn mehrfach überarbeitete Entwurfsplanungen sowie einen Animationsplan und -film übergab. Die Gespräche wurden von dem Bauherrn schließlich abgebrochen, die Ausstellungshalle jedoch wenig später auf der Grundlage der Entwurfsplanungen des Architekten von dem Bauherrn in Zusammenarbeit mit einem anderen Architekten realisiert. Das Oberlandesgericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass vertragliche Vergütungsansprüche mangels Vertragsschluss ausscheiden und der Architekt folglich kein Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 3 auf der Grundlage der HOAI verlangen kann. Denn dem klagenden Architekten war es nicht gelungen, Umstände darzulegen und zu beweisen, nach denen die Erbringung der Architektenleistungen nur gegen eine Vergütung zu erwarten war. Das Gericht spricht dem Architekten jedoch einen urheberrechtlichen Schadenersatzanspruch zu, da die Entwurfsplanungen über eine rein technische Lösung hinausgingen und eine individuelle und unverwechselbare Gestaltung zeigten, die nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen in dem realisierten Gebäude identisch übernommen wurden.

Voraussetzung für den urheberrechtlichen Schutz ist bei Bauwerken und den sie vorbereitenden Planungen eine eigenpersönliche, geistige, schöpferische Leistung des Architekten im Sinne des § 2 II UrhG. Schutzfähig ist die Planung eines Bauwerks erst dann, wenn die durchschnittliche Gestaltertätigkeit überragt wird. Reine Zweckbauten und deren Planung sind daher in der Regel nicht urheberrechtsschutzfähig. Bauwerk und Entwurfsplanung müssen sich vielmehr durch gestalterische Elemente auszeichnen, die dem Bauwerk sein eigenschöpferisches Gepräge geben und sich von den üblichen, funktional geprägten vergleichbaren Bauwerken unterscheiden (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 16.3.2000 – 13 U 132/99). Werden diese Anforderungen erfüllt, kann auch der Entwurfsplanung eines Einfamilienhauses (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 20.4.1999 – 4 U 72/97) oder eines Fertighauses (Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 15.7.1997 – 3 U 290/97) Urheberrechtsschutz zukommen.

Wird das Urheberrecht dadurch verletzt, dass Dritte die Entwurfsplanung des Architekten unbefugt verwerten, kann der Architekt Unterlassung der Verwertung verlangen. Unbefugt ist in der Regel auch die Verwertung der im Rahmen der Akquisitionsphase erstellten und dem Bauherrn überlassenen Entwurfsplanung. Der Bauherr ist ohne gesonderte Zustimmung des Architekten nicht befugt, die Entwurfsplanung zum Nachbau zu verwerten. Erlangt der Architekt frühzeitig Kenntnis von der beabsichtigten Verwertung durch den Bauherrn, kann er die unbefugte Verwertung gerichtlich mittels einstweiliger Verfügung untersagen und so einen Baubeginn verhindern. Ist das Bauwerk hingegen bereits realisiert, bleibt dem Architekten nur der Schadenersatzanspruch. Einen Rückbau des Bauwerks kann er hingegen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht verlangen.

Die Höhe des urheberrechtlichen Schadenersatzes bemisst sich danach, welches Entgelt nach objektiven Maßstäben als Lizenzgebühr für die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Entwurfsplanung durch den Bauherrn angemessen ist. Hierbei orientiert sich die Rechtsprechung an den Honorarsätzen der HOAI, nimmt aber mitunter Abschläge vor (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 2.3.2011 – 14 U 140/10). Insbesondere bleiben bei der Bemessung der Höhe des Schadenersatzes solche Tätigkeiten aus der jeweiligen Leistungsstufe unberücksichtigt, die nicht direkt mit der schöpferischen, die Individualität des Entwurfs ausmachenden Tätigkeit des Architekten in Verbindung stehen (Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 15.7.1997 – 3 U 290/97).

In der Akquisitionsphase erbringt der Architekt seine Leistung als Hoffnungsinvestition auf eigenes Risiko. Ein Vergütungsanspruch besteht nur dann, wenn sich Architekt und Bauherr entweder von Beginn an oder später (rückwirkend) darüber einigen, dass einzelne Leistungen aus der Akquisitionsphase, gegebenenfalls auch nur unter bestimmten Bedingungen (z.B. Genehmigungsfähigkeit des Bauprojekts) zu vergüten sind. Fehlt eine vertragliche Einigung, besteht selbst dann keine Vergütungspflicht, wenn der Bauherr nach Abbruch der Zusammenarbeit mit dem Architekten dessen Leistungsergebnisse aus der Akquisitionsphase in Zusammenarbeit mit Dritten verwertet. Nur in Ausnahmefällen, in denen die Entwurfsplanung des Architekten durch individuelle und unverwechselbare Gestaltungsmerkmale geprägt ist und dadurch eine den Durchschnitt deutlich überragende Gestaltungshöhe aufweist, schützt das Urheberrecht den Architekten gegenüber einer unbefugten Verwertung der Entwurfsplanung durch den Bauherrn oder sonstige Dritte.

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