Revitalisierung des Pressehauses in Wiesbaden

Harmonisches Ganzes
(in: BAUKULTUR 6_2016, S. 14-15)

Das von den Architekten Lang & Wolff sowie Hertel errichtete Pressehaus in der Wiesbadener Innenstadt wurde 1909 fertiggestellt und dient bis heute als Verlagshaus. Nach Feststellung massiver baulicher und organisatorischer Mängel wurden die Büros BGF+ Architekten und IBC Ingenieurbau-Consult mit der Generalsanierung beauftragt.

Pressehaus Wiesbaden
Pressehaus in Wiesbaden: Fassade zur Langgasse (links), Fassade zur Wagemannstraße (Mitte), Konferenzraum (rechts) (Alle Fotos: Thomas Ott)

Ausgangslage
Der zur Langgasse gerichtete repräsentative Gebäudeteil, in dem früher der Verlag bzw. die Redaktionen untergebracht waren, verfügt über eine Schmuckfassade, die von der Statue „Aufklärung und Wissen“ gekrönt wird. Im Inneren schließen sich an das mit Malereien verzierte Foyer zwei Treppenhäuser mit Marmorbelägen an, die in Form und Ausstattung noch erhalten waren. Die Büroräume sind mit aufwändigem Stuck und Vertäfelungen ausgestattet. Der zur Wagemannstraße gerichtete Gebäudeteil mit weniger aufwändiger Fassade diente ursprünglich als Druckerei. Insbesondere hier ergaben sich zwischen 1950 und 1980 zahlreiche Umbauten. Das ursprünglich klare Konzept war zu Beginn der Revitalisierung nicht mehr ersichtlich, die innere Organisation komplett verbaut. Es gab kaum Nutzfläche und dafür überproportional viel Verkehrs- und Nebenflächen. Eine wirtschaftliche und sinnvolle Nutzung war nicht mehr möglich.

Pressehaus Wiesbaden 2
Pressehaus in Wiesbaden: Ladenpassage (Foto: Thomas Ott)

Architektonisches Konzept
Die Vision war, das geschichtsträchtige Gebäude mit Leben zu füllen und für neue Nutzergruppen zu öffnen. Hierfür sollten Büroflächen, Läden und Wohnungen entstehen. Ausgehend vom Gesamtzustand des Gebäudes sah das architektonische und denkmalpflegerische Konzept deshalb vor, die innere Struktur und Technik zu modernisieren, ein homogenes Gesamtbild zu schaffen und zugleich den ursprünglichen Charakter des Pressehauses von 1909 wiederherzustellen. In Abstimmung mit der Denkmalpflege wurden viele der Nachkriegsumbauten abgebrochen. Dies betraf die Büroräume, aber auch den komplett verbauten Innenhof und die heterogene Dachlandschaft. Neue Bauteile sollten als solche erkennbar sein, ohne die Gestalt des Gebäudes zu dominieren.

Orientierung am Bestand
Im Gebäudeteil zur Langgasse stand der Erhalt des identitätsstiftenden Bestands im Vordergrund. So wurde in die Schmuckfassade kaum eingegriffen. Durch Abbruch der jüngeren Zwischengeschosse im Erdgeschoss entstanden wieder die alten Raumproportionen. Die Flächen der Lichthöfe wurden den Läden und Büros zugeschlagen. Das historische Doppeltreppenhaus blieb erhalten. Das Foyer wurde restauriert und in die Gestaltung der neuen Schaufenstergalerie eingebunden. Die neuen Fenster und Öffnungen orientieren sich an den Jochen bzw. Achsen des historischen Gewölbes.

Alter Charme
Im 1. Obergeschoss, der einstigen Beletage, wurden historische Elemente wie Stuckdecken und Vertäfelungen restauriert und historisch kunstvoll gestaltete Räume wie das Vestibül oder der ehemalige Raum des Verlegers, der heute als Konferenzraum dient, auf ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Einbauten aus den 1950er Jahren entfielen zugunsten einer modernen, dem heutigen Bedarf angepassten Bürostruktur. Glaswände bringen Transparenz, offene Bürolandschaften fördern die Kommunikation. Trotzdem ist der alte Charme des „Zeitungspalastes“ spürbar.

Moderne Fassade
Der einstige Druckereibetrieb war durch einen erheblichen Sanierungsstau mit labyrinthartiger innerer Organisation und eine einfache, heterogene Fassade geprägt. Um ein einheitliches Bild zu schaffen, wurden die Fassadenteile aus den 1960er Jahren abgebrochen und die historische Klinkerfassade durch eine moderne Fassade, die sich am historischen Bestand orientiert, ergänzt. An diese schließt das neue Schieferdach an. Im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss wurden die nachträglichen Einbauten entfernt und die Büroräume modernisiert. In Teilen des 2. Obergeschosses und im 3. und 4. Obergeschoss des Gesamtkomplexes entstanden Wohnungen. Ab dem 3. Obergeschoss dienen die einstigen Lichthöfe als Terrassen.

Neubau im Innenhof
Der Innenhof erhielt seine historische Form und Belichtung zurück. Ein baufälliger 1-geschossiger Baukörper wurde durch ein ebenfalls 1-geschossiges Ladengebäude mit Verbindung zum historischen Untergeschoss ersetzt. Die zum Hof orientierten Fassaden wurden in Anlehnung an den Bestand in Bereichen rekonstruiert und mit neuen Balkonen ergänzt. Für ein einheitliches Erscheinungsbild wurden die Dächer zum Teil zurückgebaut und als Schieferdächer erneuert. Das nur zum Teil vorhandene 4. Obergeschoss wurde ergänzt und umschließt den Hof nun vollständig.

Mit Abschluss der rund 2-jährigen Bauphase im Juni 2016 ist es gelungen, die Identität des Gebäudes zu bewahren: Die Veränderungen sind äußerlich kaum wahrnehmbar, im Inneren wurde aber modernster technischer Standard umgesetzt. Neue und historische Bauteile bestehen nebeneinander, sind als solche erkennbar und bilden dennoch ein harmonisches Ganzes.

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